11/01/2024

Employee Experience als Schlüssel zur Energiewende

Autorin: Annika Hamann

Employee Experience Energy Industry

Während die Energiebranche der Customer Experience, also dem Kundenerlebnis, in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit gewidmet hat, kommt die Employee Experience, das Erlebnis der Mitarbeiter*innen, an manchen Stellen noch zu kurz. Angesichts der großen Herausforderungen der Energiewende ist ein Umdenken nötig.

In recht kurzer Zeit haben die meisten Energieversorger in den vergangenen Jahren direkte Kanäle zum Kunden erschlossen und große Schritte in Bezug auf die Customer Experience ihrer digitalen Services unternommen und bieten heute breitgefächerte Service-Portfolios mit Lösungen, die auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.

Was die Employee Experience angeht, also das Erlebnis der eigenen Mitarbeiter*innen, könnte die Branche noch nachziehen. Warum dies wichtig ist, ist offensichtlich: In Anbetracht des Fackräftemangels sind Zufriedenheit, Loyalität und Befähigung essenziell für das Gelingen der Energiewende.

Woraus besteht eine gute Employee Experience?

Zu einer optimalen Employee Experience gehören nicht nur funktionierende Arbeitsabläufe, sondern auch folgende Komponenten:

  • Befähigung zu selbstbestimmtem Arbeiten
  • Aufgaben, die ein Gefühl von sinnvoller Betätigung (Purpose) unterstützen
  • Klarheit zu Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Moderne, frustrationsfreie Tools
  • Möglichkeiten zu persönlichem Wachstum durch Trainings und Weiterbildungen
  • Förderung der physischen und mentalen Gesundheit
  • Diversität, Gleichheit und Inklusivität
  • Offene Kommunikation und emotionale Sicherheit
  • Rituale der Wertschätzung
  • Marktgerechte, angemessene Vergütung

Diese Faktoren werden sowohl durch Firmenkultur als auch durch Prozesse, Tools und Daten beeinflusst.

Die Energiewende als Treiber der Veränderungen

Mit ihren gestiegenen Anforderungen an Produktivität, Digitalisierung, Datenqualität und Innovationsgeschwindigkeit stellt die Energiewende die Versorger vor eine große Herausforderung. Insbesondere, da die Expertise der Fachkräfte heute schwieriger zu binden ist.

Generationen von älteren, erfahrenen Mitarbeiter*innen scheiden aus, kostbares Expertenwissen geht verloren, und die Einarbeitung neuer Fachkräfte kostet Zeit und bindet Ressourcen. Nachwuchs ist schwer zu finden, anzulocken und zu binden. Besonders Elektrik-, Bau- und Ingenieurberufe sind vom Fachkräftemangel betroffen. Eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung von 2022 besagte, dass etwa 216.000 Fachkräfte für die Energiewende fehlen. Gleichzeitig besteht die Selbstverständlichkeit, 40 Jahre im gleichen Unternehmen zu arbeiten, heute in dieser Form nicht mehr. Zudem haben jüngere Generationen andere Erwartungen und Forderungen an ihre Arbeitgeber als vor 20 Jahren.

Prozesstransformation für hohe Mitarbeiterzufriedenheit und Befähigung

Imagekampagnen sind wichtig, um jüngere Menschen für die Aufgaben der Branche zu begeistern. Jedoch muss das Personal auch erhalten werden. Mitarbeiterzufriedenheit muss hohe Priorität haben. Wird auf hohe Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen bei gleichzeitig hoher Befähigung hingearbeitet, dann ist eine erhöhte Produktivität eine automatische Konsequenz.

Untersuchen wir dafür mit einem holistischen Blick die Prozesse im Inneren eines Unternehmens. Viele Themen, die die Mitarbeiterzufriedenheit beeinflussen, betreffen eher die Firmenkultur, andere wiederum sind in Daten und digitalen Tools und Services zu verorten. Alle Aspekte sollten betrachtet und analysiert werden, bevor an einzelnen Stellschrauben gedreht wird. Oft gibt es Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Pain Points, und wir können einige Probleme nicht lösen, ohne andere vorher zu beheben.

Grundsätzlich gilt, dass nicht Tools und Daten den Prozess formen sollten. Stattdessen sollten Tools und Daten so angelegt werden, dass sie Nutzerbedürfnissen entgegenkommen und ihre Gewohnheiten und Tätigkeiten entlang optimierter Prozesse unterstützen.

Mitarbeiterzufriedenheit und Befähigung über die Firmenkultur

Sowohl aus der New Work Bewegung als auch durch die ESG Richtlinien (Environmental, Social and Corporate Governance) haben wir bereits viele Antworten erhalten, wie Mitarbeiterzufriedenheit gezielt erreicht werden kann.Die Philosophie der New Work Bewegung basiert auf dem Konzept, dass Menschen die Freiheit haben sollte zu entscheiden, was sie tun wollen, weil sie daran glauben. Ihre Grundprizipien umfassen die Freiheit zu experimentieren, selbstveranwortliches Arbeiten, Tätigkeiten, die Sinn ergeben und Wert schöpfen, Entwicklung und Selbstreflektion sowie soziale Verantwortung.

Letzteres ist auch ein wichtiger Teil der sozialen ESG Richtlinien, die geschaffen wurden, um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen zu fördern. Arbeitsbedingungen wie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Diversität spielen hier eine große Rolle.

Die mentale Gesundheit der Mitarbeiter*innen sollte in die Prozesstransformation mit einbezogen werden, nicht nur die Sicherheit in Fertigungsprozessen, auf der Baustelle oder an elektrischen Anlagen, sondern auch bei der Arbeit im Büro. Neben dem Ermöglichen von Pausen und Trainings für mentale Gesundheit sollten auch Strukturen für Austausch, Kommunikation von Wertschätzung und konstruktive Konfliktlösung innerhalb der neuen Prozesse geschaffen werden.

Emotionale Sicherheit für alle vertretenen Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, sollte im Vordergrund stehen, damit alle auf beste Art und Weise zum Erfolg der Firma beitragen können. Dazu gehört auch das Einstellen einer diversen Belegschaft, die nach und nach eine homogene, gleichdenkende Mehrheit auflöst, die offene Kommunikation auf Augenhöhe erlaubt und Angestellten befähigt, in ihren jeweiligen Positionen den größtmöglichen Erfolg zu haben. Ein Zusammenhang zwischen Diversität und wirtschaftlichem Erfolg von Unternehmen wurde bereits vielfach untersucht und belegt.

Mitarbeiterzufriedenheit über Tools, Services und Daten

Mitarbeiterbefähigung wird positiv beeinflusst durch:

  • Digitale Systeme, die reelle Prozesse unterstützen
  • Tools zur Mitarbeiterbefähigung für selbstbestimmtes Arbeiten
  • Automatisierung für alle geistlosen, repetitiven Tätigkeiten
  • Einheitliche Service-Ökosysteme für den nahtlosen Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsmodulen
  • Trainings- und Weiterbildungssysteme, die selbstgesteuertes Lernen ermöglichen

Mitarbeiterzufriedenheit kann verstärkt werden durch

  • Klare Prozessschritte und Aufgaben
  • Frustrationsfreie Arbeitsmittel, die nutzerzentriert konzipiert wurden
  • Tool- und Datenlandschaft mit hohem Automatisierungsgrad
  • Systeme, die Expertentätigkeiten unterstützen und geistlose Tätigkeiten abnehmen

Hürden bei der Transformation

Die Energieversorgung gehört zur essenziellen, kritischen Infrastruktur. Sicherheit steht daher ganz oben und ist genau wie die staatliche Regulierung sinnvoll und berechtigt. Sie verlangsamt jedoch die Innovationsgeschwindigkeit.

Größere Energiedienstleister sind zudem geprägt von Fusionen und Übernahmen. Bei der Verbindung zweier Unternehmen steigt die Anzahl an unterschiedlichen technischen Lösungen. Es bedarf gezielter Harmonisierungsbestrebungen, um die flickenteppichartige Softwarelandschaften zu vereinfachen.

Oft wird auch bei internen digitalen Services zu Fertig-Lösungen wie Power-Apps & Co. gegriffen, um Zeit und Budget zu sparen. Ob man hiermit flüssige Prozesse, Integration in ein einheitliches Service-Ökosystem und eine optimale User Experience erreicht und am Ende wirklich Budget spart, sei dahingestellt.

Darüber hinaus stoßen vom Management verordnete Tools und Prozesse nicht selten auf Widerstreben bei Angestellten. Teilweise unterstützen digitale Tools und Plattformen nicht die echten Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen, denn sie sind ohne User Research, auf Annahmen basierend und aus Silos heraus entstanden. Teilweise wurde sie ohne ausreichende Change-Kommunikation eingeführt.

Dies führt oft bei Anwender*innen zur Verwendung von prothetischen Hilfsmitteln wie Excel, in denen sich die Nutzer*innen die Ansichten der Daten, mit denen sie arbeiten, selbst festlegen können. So entstehen Brüche in Prozessen, die Zeit fressen und Fehlerquellen darstellen.

Zudem hält sich hartnäckig der Glaube, dass Expertensoftware geradezu kompliziert und unhandlich sein muss. Dies sollte infrage gestellt werden. Nur Klarheit und Einfachheit sorgen für Effektivität. Kein Tischler würde gerne mit einer unhandlichen, überkomplizierten Säge arbeiten wollen. Frustration und das Gefühl, seine Zeit zu vergeuden, wäre vorprogrammiert.

Typische Optimierungschancen

Probleme, mit denen Mitarbeiter*innen auch im Jahr 2024 immer noch kämpfen, sind unter anderem:

  • Fehlende Automatisierung und Datensynchronisation (immer noch gibt es Copy-Paste-Schritte in Prozessen) – Zeitverlust und Fehlerquelle
  • Mangelhafte Validierung bei Eingabe von Daten – gefährdet Datenqualität
  • Fehlendes Benachrichtigungssystem (Änderungen in Daten müssen gesucht und entdeckt werden) – Zeitverlust
  • Fehlende Versionierung und Historisierung – Konflikte und Wartezeiten
  • Fehlende Rollen- und Rechtesysteme – überflüssige Komplexität
  • Kommunikationsschritte nicht durch Tools und Daten unterstützt, z.B. Diskussionen, Entscheidungen, Genehmigungsprozesse – Lücken im Prozess, geringere Nachvollziehbarkeit

Werden diese Probleme durch zeitgemäße, digitale Services gelöst, erhöht sich automatisch der Anteil an Expertentätigkeiten – und damit auch das Gefühl, seine Zeit sinnvoll einzusetzen und befähigt zu sein (Empowerment) – sowie die Produktivität der Mitarbeitenden und die Qualität der Endleistung bzw. des Endproduktes.

Sorgfältiges Daten-Management als Grundlage

Oft sind es die zugrundeliegenden Daten, die zu Brüchen in Prozessen führen. Ähnliche Datensätze sind in mehreren Quellen vorhanden, die bei Änderungen nicht automatisch synchronisiert werden. Diese fehlende Automatisierung hat oft zeitraubende Copy-Paste-Tätigkeiten zur Folge. Oder noch schwieriger: das lokale Abspeichern bestimmter Daten, so dass andere Mitarbeiter*innen keinen Zugriff haben, bis die Daten per E-Mail bei ihnen ankommen. Diese Art Brüche in Prozessen müssen als Erstes behoben werden. Dies muss oft auf Daten- sowie Software-Ebene geschehen.

Change-Kommunikation und Prozess-Steuerung nicht vergessen

Findet eine Prozesstransformation statt, werden oft zwei Dinge vergessen: Das „Mitnehmen“ der Mitarbeiter*innen sowie die Klärung der zukünftigen Prozesssteuerung

  1. Change-Kommunikation

    Nutzerzentriertes Vorgehen bei der Prozesstransformation erleichtert den ersten Teil. Wird jede in einen Prozess involvierte Rolle und Disziplin in die Research, Ko-Kreation, Testen und Iteration des zukünftigen Prozesses mit einbezogen, kann eine Akzeptanz der Transformation mithilfe von Schlüsselpersonen schneller erreicht werden. Mundpropaganda kann eine positive Wirkung haben. Zusätzlich dazu ist eine frühzeitige und kontinuierliche Transparenz zu Vorgehen und zu kommenden Veränderungen sowie das Eingehen auf Fragen und Sorgen weitere wichtige Aufgaben. Diese Art Dialoge sollten als wertvolle Research-Aktivitäten verstanden und auf strukturierte Art von Expert*innen geführt und ausgewertet werden.

  2. Prozess-Steuerung

    Oft wird vergessen, dass es nach der Transformation weiterer Bemühungen bedarf, den Prozess bei allen involvierten Mitarbeiter*innen zu etablieren, sie dabei zu unterstützen, überholte Gewohnheiten loszulassen und den Prozess bei nötigen Änderungen weiter zu iterieren. Dies muss auf strukturierte Art und Weise geschehen. Dafür wird ein Prozesssteuerungsgremium benötigt, das die Interessen aller beteiligten Rollen und Disziplinen vertritt und nutzerzentrierte Arbeitsweisen durchsetzt. So kann verhindert werden, dass die zukünftigen Prozesse durch die Interessen einzelner, lauter Stimmen geformt werden.

Onboarding und Weiterbildung

Klare, ausdefinierte Prozesse erlauben wiederum ein effizient geführtes Onboarding, das den Angestellten erlaubt, so schnell wie möglich in ihrer Rolle produktiv zu werden.

Weiterbildungsmöglichkeiten für Angestellten sollten für alle einsehbar und nach eigenem Ermessen mit optionaler Beratung durch Betreuer*innen nutzbar sein. Diese Transparenz zu möglichen Lernpfaden führt weiterhin zu einem Gefühl der Befähigung, hilft dabei, wichtige neue Fähigkeiten zu erlernen, und überbrückt Leerzeiten sinnvoll durch Wissensaneignung.

Holistische Prozesstransformation für die Energiewende

Um die Energiewende gemeinsam zu schaffen, konzentrieren wir uns auf eine Prozesstransformation, die Zufriedenheit, Befähigung und Wohlergehen der Mitarbeiter*innen in den Mittelpunkt stellt. Eine höhere Produktivität und Loyalität zum Arbeitgeber werden automatisch daraus resultieren.

Eine holistische, nutzerzentrierte Herangehensweise ist für diese Transformation erforderlich. Service Designer*innen wissen, dass Probleme, die an der Oberfläche sichtbar werden, in ganz anderen Bereichen verursacht werden können. Von der Datenbasis, über ein digitales Service-Ökosystem, bis hin zu Rollen und Aufgaben, Kommunikation und Kultur, Onboarding und Weiterbildung, sollten daher alle offensichtlichen und versteckten Ebenen betrachtet werden, um die Zielbilder Mitarbeiterzufriedenheit und Befähigung zu erreichen, aus denen sich eine erhöhte Produktivität als automatische Konsequenz ergibt. Befähigen wir Fachkräfte, sich eigenverantwortlich ihren Expertentätigkeiten zu widmen, stellen wir sie ins Zentrum unserer Bemühungen, denn sie sind das Herz der Energiewende.

 

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