08/06/2023

Vom Creator zum Curator? Wie künstliche Intelligenz die Rolle von Designer*innen verändert.

Marko Thorhauer, IBM iX, und Burkhard Müller, Art Directors Club, bei ihrem Talk am IBM iX Stand auf der OMR

Künstliche Intelligenz (KI) spielt auch im Kreativ- & Designprozess eine immer größere Rolle. Sie hat das Potenzial, die Arbeit von Designer*innen stark zu verändern, indem sie neue gestalterische Techniken ermöglicht und mit Hilfe von Automatisierung Kreativprozesse beschleunigt.

Den Menschen ersetzen wird sie aber nicht, waren sich Marko Thorhauer, Executive Creative Director bei IBM iX, und Burkhard Müller, Chief Digital Officer bei der Designagentur Mutabor sowie Board Member Digital im Art Directors Club (ADC) beim Talk auf der OMR 2023 einig. Aber Designer*innen werden neue Skills, z.B. im Bereich Creative Direction, Technologie, Prompting und im Umgang mit Daten entwickeln.

Die Kreativwirtschaft ist sich der bevorstehenden tiefgreifenden Veränderungen durch den Einsatz von KI bewusst und setzt sich damit aktiv auseinander. Als Mitglieder im ADC sind Burkhard Müller und Marko Thorhauer auch am diesjährigen ADC Festival unter dem Motto „Change the World with Creativity“ beteiligt. Es geht – natürlich – um Künstliche Intelligenz.

KI-Tools wie ChatGPT, Midjourney, DALL-E, watsonx oder Firefly werden in Echtzeit Rechercheergebnisse und Insights liefern, Gestaltungsvorschläge entwickeln und die Automatisierung repetitiver Aufgaben übernehmen. Die Analyse großer Datenmengen, die Wettbewerbsbeobachtung oder die Einschätzung von Trends wird dadurch einfacher. Auch das Thema Visual Design wird durch „Text to Image“ basierte KI deutlich schneller und einfacher – sowohl bei Fotos und Illustrationen als auch beim Film. Trotz all der aktuellen Kinderkrankheiten: noch ist serielles Arbeiten, gezielte Stilentwicklung oder auch die Kreation „on brand“ eine Herausforderung. Gerade hier spielt der Mensch im kreativen Workflow weiterhin eine essenzielle Rolle – wenn diese auch anders aussieht als bislang. Aber wie kann man sich das künftige Arbeiten von Creator*innen genau vorstellen?

KI und Design – eine Branche im Umbruch

Manche Aufgaben erledigt die KI bereits jetzt schneller und besser als der Mensch und wird es auch künftig tun, für andere wiederum braucht es menschliche Intelligenz. Das Stichwort ist hier „vom Creator*in zum Curator*in“. Kreative werden sich – basierend auf KI-gestützter Recherche – zunehmend auf Ideen und Briefings („Prompts“) konzentrieren und dann vor allem die professionelle, präzise Selektion und Kuratierung von KI-basierten Ergebnissen übernehmen.

Erzeugung von Moods, Bildvarianten und neuen Stilen

Schon jetzt haben Tools wie Midjourney Einfluss auf unsere Sehgewohnheiten. Durch KI entstehen neue, ungesehene visuelle Welten, die – gesteuert durch gezieltes Prompting – in der Lage sind, visuelle Aussagen auf überraschende, emotionale Weise zu treffen. Ein äußerst spannendes Experimentierfeld für Designer*innen und eine willkommene Erweiterung des aktuellen Gestaltungsrepertoires.

Übernahme repetitiver Aufgaben durch KI

Der wirtschaftlich für die Kreativwirtschaft wohl bedeutendste Effekt von KI ist die Automatisierung repetitiver Aufgaben wie Fotomontage, Bildoptimierung, Bildgrößenanpassung oder Text- & Layoutformatierung. Designer*innen eröffnet die Übernahme dieser Aufgaben durch KI mehr Raum für strategische und kreative Aspekte ihrer Arbeit.

Zielgruppenspezifischeres Design durch KI

KI ist zudem in der Lage, Designvorschläge und Prototypen basierend auf bestimmten Parametern oder Benutzervorlieben zu generieren. Durch den Einsatz von maschinellen Lernalgorithmen können KI-Systeme riesige Datenmengen, Trends und Benutzerverhalten analysieren, um Designoptionen zu generieren, die spezifischen Zielen entsprechen. Dies beschleunigt nicht nur den Ideenfindungsprozess, sondern liefert Designer*innen auch wertvolle Einblicke und Inspiration, die ihre eigene Kreativität anregen.

Nutzerbedürfnisse durch Datenauswertung verstehen

Darüber hinaus ermöglicht KI durch fortschrittliche Analysen, Testing und datengetriebene Ansätze tiefere Einblicke in Benutzerbedürfnisse, -präferenzen und Muster. Dieser datengetriebene Ansatz ermöglicht die Erstellung personalisierter und benutzerzentrierter Erlebnisse.

Designer*innen werden zu Kurator*innen

Dementsprechend wird sich die Rolle der Designer*innen verändern – von der Gestaltung hin zum Kuratieren der von KI erzeugten Ergebnisse. Denn die richtige Bewertung, das Einordnen in kulturelle Kontexte, das Selektieren sowie Intuition und Empathie sind Fähigkeiten, die bislang Menschen vorbehalten sind. Designer*innen werden sich dementsprechend stärker in Richtung Design Consulting entwickeln, also in bewertender und beratender Funktion tätig sein, anstatt selbst zu kreieren. Sie bleiben aber dennoch kreativ – aber auf einer anderen Ebene. Sie benötigen ein neues Gespür für Ästhetik und Wiedererkennungswert, müssen Strategie und Storytelling beherrschen und mit diesen Fähigkeiten den Content einer KI bewerten und kuratieren.

Prompting ist die neue Währung

Prompting – Befehle in Textform – Spielen für den Einsatz von KI eine entscheidende Rolle. Denn die Art und Weise, wie eine KI mit einer Aufgabe gefüttert wird, hat enormen Einfluss auf die Ergebnisse. Je klarer, feinteiliger, präziser und kreativer der Prompt ausfällt, desto fokussierter und passender ist der generierte Content. „Prompt Design“ oder „Prompt Engineering“ wird zur eigenen Rolle im Kreativprozess. Es eignet sich u.a. zur Ideenentwicklung und Konzeptionierung, der Erstellung von Visuals und Moodboards sowie Bildcontent in völlig neuer Ästhetik und Bildsprache.

Verfeinerung und Humanisierung von KI-produziertem Content

Designer*innen werden KI-generierte Inhalte überprüfen und verfeinern, um sicherzustellen, dass sie den gewünschten Stil, die Markenidentität oder die Designprinzipien widerspiegeln. Durch manuelle Anpassungen und kreative Eingriffe können sie den Content „humanisieren“.

Fokussierung auf Intention, Kommunikation, Emotion und Vision

Designer*innen werden diejenigen sein, die Intentionen und Emotionen der Zielgruppe am besten verstehen und ansprechen können. „Communication Design“ ist immer die zielgerichtete Gestaltung der Summe aller Interaktionen zwischen Unternehmen, Marken, Nutzer*innen und weiteren Stakeholdern. Hier ist ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Kommunikation zu leisten – über viele Touchpoints hinweg. Eine Aufgabe, die von KI in nächster Zukunft voraussichtlich noch nicht präzise genug bewältigt werden kann. Es gilt, integrierte Designs und Kampagnen zu erstellen, die gezielt Interaktionen ermöglichen und die Visionen des Unternehmens oder der Marke widerspiegeln.

Fähigkeit, KI zu trainieren

Eine weitere neue Aufgabe von Designer*innen wird es sein, KI-Modelle zu trainieren und anzupassen, um spezifische Designaufgaben zu verbessern. Indem sie die KI mit relevanten Daten und Feedback füttern, können sie die Leistung der KI kontinuierlich optimieren und sie gezielt auf ihre Designanforderungen ausrichten.

Wie verändert sich das Business?

Der Paradigmenwechsel durch KI beschränkt sich aber nicht auf den kreativen Prozess allein – das gesamte Design Business wird sich grundlegend ändern.

Steigende Kundenanforderungen

In dem Wissen, dass KI wertvolle „Vorarbeit“ im Kreativprozess leistet, erwarten Kunde*innen vermutlich künftig eine schnellere Projektumsetzung und höhere Qualität der Designergebnisse.

Einbau von KI-Elementen in Designlösungen

Schon jetzt spielen z.B. KI-basierte Chatbots im UX/UI Design eine große Rolle, in Zukunft werden immer mehr digitale Produkte auf KI im Hintergrund zurückgreifen. Diese gilt es nutzerzentriert zu gestalten. Designer*innen brauchen dafür ein hohes Verständnis von KI-Lösungen und Technologien, um zielorientiert beraten zu können.

Bedarf an neuen Services und KI-Infrastrukturen

Mit dem Aufkommen von KI entsteht ein Bedarf an spezialisierten Dienstleistungen und Infrastrukturen, um KI-gestützte Designprozesse („DesignOps“) zu unterstützen. Dies umfasst beispielsweise Cloud-basierte KI-Plattformen, Datenmanagement und Schulungen für Designer*innen.

Demokratisierung des Design-Handwerks

Der Einsatz von KI im Designbereich wird außerdem zur Entwicklung weiterer Open-Source-Lösungen führen. Design-Communitys teilen KI-Modelle, Tools und Ressourcen, um den Zugang zu KI im Design zu demokratisieren und die Zusammenarbeit zu fördern.

Regulierung und rechtliche Lösungen

Die Verwendung von KI zur Generierung von Designs wirft umfassende rechtliche Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf das Markenrecht und geistiges Eigentum, den Datenschutz bei der Verarbeitung von Benutzerdaten und die Lizenzierung von KI-Modellen und -Inhalten. Es besteht ein Bedarf an klaren Richtlinien und Regulierungen, um sicherzustellen, dass KI-generierte Designs rechtlichen Vorschriften entsprechen. Gleichermaßen wächst der Bedarf an regulationskonformen Lösungen, denn Designer *innen müssen sicherstellen, dass ihre KI-Anwendungen ethisch und rechtlich einwandfrei sind und Datenschutz- und Sicherheitsstands einhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einfluss von KI auf Designer*innen, ihre Arbeit und die ganze Branche tiefgreifend und transformierend ist. KI automatisiert repetitive Aufgaben, liefert intelligente Designvorschläge, ermöglicht datengetriebene Entscheidungsfindung, verbessert die Arbeitsergebnisse und verstärkt letztendlich das kreative Potenzial von Designer*innen, die künftig vermehrt in einer kuratierenden Rolle tätig sein werden. Indem Designer*innen KI als mächtigen Verbündeten annehmen, eröffnen sich ihnen zahlreiche neue Möglichkeiten.

Wie arbeitet IBM mit KI?

IBM hat sich den verantwortungsvollen Umgang mit KI von Anfang an auf die Fahnen geschrieben: Vertrauenswürdige KI identifizieren und dazu beraten, KI im richtigen Maß einführen, Prozessoptimierung durch Automatisierung steuern, KI zur Datenanalyse, Dokumentendigitalisierung nutzen und dabei Risiko und Compliance immer im Blick behalten. Bei alldem ist IBM der Ansicht, dass künstliche Intelligenz menschliche vor allem erweitern und ihre Leistung verbessern sollte. Außerdem will IBM sichergehen, dass Daten, Informationen und kreative Ergebnisse ihren Urheber*innen gehören. Und: Die Technologie, mit der wir arbeiten, muss für Kund*innen jederzeit transparent sein.

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